Gelingt eine weitere Stabilisierung der Finanzmärkte ohne Vertrauensverlust?
Die Europäische Bankenunion ist eine wichtige Reaktion auf die Verwerfungen an den Finanzmärkten durch die internationale Finanz- und Bankenkrise. Mit ihr gehen nationale Kompetenzen der Finanzmarktaufsicht und der Sanierung oder Abwicklung von Kreditinstituten auf zentrale Institutionen über. Umstritten scheint, wie die Sicherung von Sparguthaben ausgestaltet sein sollte, um die Europäische Bankenunion zu vervollständigen. Sollte diese zwangsweise vollständig supranational konstruiert sein oder genügt eine gewisse europäische Harmonisierung der nationalen Sicherungssysteme? Der am 24. November 2015 von der EU-Kommission vorgestellte Vorschlag für ein European Deposit Insurance Scheme (EDIS) wird seitdem intensiv diskutiert und weiter entwickelt, mögliche entscheidende nächste Schritte werden bei einem der nächsten EU-Gipfeltreffen erwartet.
Vor diesem Hintergrund diskutierten Experten anlässlich des 7. Bayreuther Finanzmarktsymposiums der Forschungsstelle für Bankrecht und Bankpolitik den Stand und die weitere Harmonisierung der europäischen Einlagensicherungssysteme. Unterstützt wurde das Symposium vom Förderverein der Forschungsstelle, vom BF/M-Bayreuth und von FACT-Alumni.
Die Einführung ins Thema oblag dem Geschäftsführer der Forschungsstelle, Prof. Dr. Bernhard Herz. Das erste Referat hielt Andreas Schneider, der sich als abgeordneter nationaler Sachverständiger der Europäischen Kommission, in der Generaldirektion Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen und Kapitalmarktunion seit Jahren intensiv mit den Kernelementen der Bankenunion beschäftigt. Er stellte die Entwicklung der Diskussionen um EDIS während der letzten drei Jahre dar und äußerte die Intention, dass der Aufbau von EDIS und risikoreduzierende Maßnahmen parallel vorangetrieben werden müssen. Um neuen Schwung in die Verhandlungen zu bringen, hat die Kommission außerdem in ihrer Mitteilung zur Bankenunion vom Oktober 2017 neue Ideen zur Diskussion gestellt, die den Bedenken einiger Mitgliedstaaten sowie kritischen Stimmen im Europäischen Parlament Rechnung tragen (z.B. die Durchführung eines Asset Quality Reviews, um Altlasten in den Bankbilanzen weiter zu reduzieren). Aktuell werden in der zuständigen Arbeitsgruppe des Europäischen Rats verschiedene Modelle für die weitere Ausgestaltung von EDIS diskutiert. Karlheinz Walch, stellvertretender Leiter des Zentralbereichs Banken und Finanzaufsicht der Deutschen Bundesbank, sieht durchaus auch die Chancen zur weiteren Stabilisierung der Finanzmärkte, da ein europäisches Einlagensicherungssystem genau dann greifen kann, wenn die rein nationalen Systeme überfordert sind. Er präferiert aber eine andere Reihenfolge der anstehenden Arbeiten und betonte, dass der Abbau von Risiken im Bankensystem zeitlich vor der sich anschließenden Analyse, welche Elemente der Einlagensicherung europäisiert werden sollten, stehen muss. Prof. Dr. Andreas Pfingsten vom Institut für Kreditwesen der Universität Münster ist einer der führenden Wissenschaftler im Bereich der Bankenregulierung. Er präsentierte ein aktuelles Forschungsprojekt, in dem die Wirkungen von Einlagensicherungssystemen gerade auch im Rahmen der internationalen Finanz- und Bankenkrise untersucht werden. Zusammen mit seinen Forscherkollegen kann Andreas Pfingsten zeigen, dass ein für die Öffentlichkeit glaubwürdig konzipiertes Einlagensicherungssystem in einer Finanzkrise einen Wettbewerbsvorteil darstellt.
Die abschließende Podiumsdiskussion wurde von zwei kürzeren Referaten eingeleitet, in denen insbesondere die Standpunkte der beiden das deutsche Bankensystem prägenden Säulen der Genossenschaftsbanken und der Sparkassen dargelegt wurden. Dr. Jan Lüken, Leiter des Büros des Vorstandsvorsitzenden Dr. Jürgen Gros vom Genossenschaftsverband Bayern e. V., sieht in der europäischen Einlagensicherung das falsche Stabilisierungsinstrument und forderte, dass stattdessen der Abbau von Altlasten, die Stärkung der Gläubigerhaftung und der zielgerechte Einsatz der Instrumente der Bankenaufsicht realisiert werden müssen. Thomas Huber, Referent Interessenvertretung des Sparkassenverbands Bayern, erläuterte die Gefahr, dass die Institutssicherung, die Sparkassen sowie Volks- und Raiffeisenbanken bisher auszeichnet, in einem europaweit zentralisierten System nicht mehr aufrechterhalten werden kann und die Einführung von EDIS einen Systembruch für die Stabilität am Finanzplatz Deutschland darstellt.
Alle fünf Referenten unterstrichen ihre Positionen in der engagiert geführten Podiumsdiskussion, die von Prof. Dr. Klaus Schäfer, Mitglied der Forschungsstelle für Bankrecht und Bankpolitik, Vorstand des BF/M-Bayreuth und Beirat von FACT-Alumni moderiert wurde. Bemerkenswert ist, dass die präsentierten Thesen – unterstützt mit Fragen aus dem Publikum – nicht nur abgewogen wurden, sondern dass sich im Laufe der Diskussion auch mögliche Ideen für sinnvolle Kompromisse entwickelten. Es kristallisierte sich heraus, dass die Mehrheit der Podiumsmitglieder und der Teilnehmer des Bayreuther Finanzmarktsymposiums davon überzeugt sind, dass sich die Besonderheiten des deutschen Systems der Einlagensicherung bewährt haben und dass die weitere Ausgestaltung der Einlagensicherung besondere Aufmerksamkeit erfordert, damit keinesfalls eine Vertrauenskrise ausgelöst wird.