Markteintritt in Indien – Tochtergesellschaft oder Joint Venture?
GIRT Oberfranken traf sich bei der Tenowo GmbH in Hof/Saale
Einen Tag nach den 4. Deutsch-Indischen Regierungskonsultationen in Berlin, bei denen die Bundeskanzlerin Angela Merkel und der indische Premierminister Narendra Modi ihre strategische Partnerschaft vertieften und ein milliardenschweres Investitionsprogramm für die kommenden Jahre verabschiedeten, trafen sich gestern, am 31. Mai 2017, mehr als 30 Unternehmensvertreter im Rahmen des „German Indian Round Table Oberfranken“ (GIRT). Dabei drehte sich alles um den richtigen Markteintritt in Indien. Insbesondere die Frage, ob eine eigene Tochtergesellschaft einem Joint Venture zu bevorzugen sei oder nicht, wurde intensiv unter den Teilnehmern des zweiten Treffens des GIRT Oberfranken diskutiert.
Den Impuls für die Diskussion gaben zwei Indienexperten, die über ihre Erfahrungen berichteten: Frau Christine Kögler, Kaufm. Leiterin der Tenowo GmbH, gab tiefe Einblicke in ihre bereits seit 10 Jahren bestehende strategische Partnerschaft mit ihrem indischen Joint-Venture-Partner. In ihrem Vortrag wurde deutlich, dass – neben dem ökonomischen Erfolg – vor allem eine enge persönliche Beziehung zwischen den Gesellschafterfamilien von größter Bedeutung ist. Gemeinsame Werte und ein großes gegenseitiges Vertrauen seien unverzichtbare Pfeiler dieser Partnerschaft, deren Stabilität sich vor allem in Krisenzeiten zeige. Als wesentlichen Erfolgsfaktor hat Frau Kögler zudem das interkulturelle Verständnis der eigenen Mitarbeiter angesehen, das unverzichtbar sei, um die Beziehung zwischen den beiden Joint-Venture-Partnern letztlich erfolgreich auszugestalten. Zum Abschluss ihres Vortrages zog die Kaufm. Leiterin der Tenowo GmbH ein sehr positives Fazit der zehnjährigen Zusammenarbeit mit ihrem indischen Partner.
Im Gegensatz zur oberfränkischen Tenowo GmbH bevorzugte Alex Bircher, Geschäftsführender Gesellschafter der Erbatech Machinery Pvt. Ltd., die Gründung einer eigenen Gesellschaft in Indien auf der grünen Wiese. Darüber, wie steinig dieser Weg beim Aufbau und Management seines eigenen Produktionsunternehmens in Indien war bzw. nach wie vor ist und welche Lehren er aus seinem mehr als zehnjährigen Engagement zog, berichtete er in einem sehr persönlichen Rückblick. Aus seiner Sicht braucht der erfolgreiche Aufbau eines Unternehmens in Indien sehr viel Zeit, Geduld und enge persönliche Führung. Es seien jedoch oftmals nicht so sehr wirtschaftliche und politische Rahmenbedingungen Indiens die wesentlichen Faktoren, die den Geschäftsaufbau so herausfordernd gestalten. Vielmehr seien es gesellschaftliche und kulturelle Aspekte wie Familie, Religion, Hierarchie und Kommunikation, die aufgrund unserer Unkenntnis falsch eingeschätzt würden und damit zu falschen Management-Entscheidungen führten. Kenntnisreich und packend verdeutlichte er seinen Standpunkt in zahlreichen Anekdoten und Erlebnissen. Auf die abschließende Frage, ob er nochmals denselben Weg beschreiten und sein eigenes Unternehmen in Indien aufbauen würde, zeigte sich, dass Herr Bircher nichts von seinem Optimismus eingebüßt hatte. Er würde die Entscheidung nochmals so treffen, jedoch ein paar Dinge beim nächsten Mal anders angehen.
Prof. Dr. Stefan Wengler (li) und Prof. Dr. Torsten Kühlmann (r), die beiden Initiatoren des GIRT Oberfranken, Alex Bircher (2. v. li) , Geschäftsführender Gesellschafter der Erbatech Machinery Pvt. Ltd., Christine Kögler, Kaufm. Leiterin der Tenowo GmbH, und Dr. Harald Stini (2. v. re) , Geschäftsführer der Tenowo GmbH
Die beiden Initiatoren des „GIRT Oberfranken“, Prof. Dr. Wengler, Hochschule Hof, und Prof. Dr. Kühlmann, Universität Bayreuth, zeigten sich erneut sehr zufrieden über die Resonanz und Intensität des Erfahrungsaustauschs. „Indien ist und bleibt ein wichtiges Zukunftsthema, mit dem sich die Unternehmen der Region zukünftig noch sehr viel stärker auseinandersetzen müssen. Daher bildet GIRT Oberfranken ein wichtiges, lokales Indien-Netzwerke und eine hilfreiche Plattform für den weiteren Erfahrungsaustausch auf der persönlichen Ebene.“
Beim anschließenden Networking in den neuen Räumlichkeiten und auf Einladung der Tenowo GmbH wurde die Diskussion, Joint-Venture oder eigenes Unternehmen, unter den 30 Teilnehmern kontrovers, aber in angenehmer, freundlicher Atmosphäre weitergeführt. Viele Erfahrungen wurden unter den Teilnehmern ausgetauscht – und der ein oder andere Kontakt geknüpft.
Das nächste Netzwerk-Treffen findet bereits am 13. Juli 2017 bei KAESER Kompressoren in Coburg statt. Michael Bischoff, Geschäftsführer der Kaeser India Pvt. Ltd., wird dann aus seiner 15-jährigen Erfahrung berichten und Einblicke und Tipps in die „Marktbearbeitung Indien“ geben – von der Marktanalyse über die Personalauswahl bis hin zum Aufbau eines eigenen Vertriebsnetzes.
Kontakt:
Prof. Dr. Stefan Wengler
girt@scienceventure.net
GIRT steht für den „German Indian Round Table“ und ist ein deutschlandweites Netzwerk von Managern für Manager, die im deutsch-indischen Geschäftsumfeld tätig sind. Seit November 2016 gibt es mit dem „GIRT Oberfranken“ nun auch in Oberfranken eine entsprechende Plattform, die den Erfahrungsaustausch zwischen Indien-Kennern und Indien-Neulingen fördern und so die Wirtschaftsbeziehungen zu Indien ausbauen soll.